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Die Geschichte der Mühle bis 1985

Im Bock eingestanzte Jahreszahl
Baujahr: 1814

Die Mühle wurde im Jahre 1814 erbaut. Diese Jahreszahl ist im Bock der Mühle eingestemmt. Der Bock weist weiterhin noch eingestanzte Initialien auf, die entweder auf den Bauherrn oder dem Baumeister schliessen lassen. Darüber ist allerdings nichts weiter bekannt. Fakt ist aber, dass zu dieser Zeit alle Mühlen "Baumühlen" waren, d. h., sie gehörten meist dem Grundbesitzer und wurden von Pachtmüllern oder direkt angestellten Müllern betrieben. Die Mühle wird damals wohl zur Domäne Libehna gehört haben.

Position der Jahreszahl
Position der Jahreszahl

Erster nachweisbarer Müller in Libehna war Heinrich August Thiemann. Thiemann war zwischen 1853 und 1857 Pächter oder Eigentümer der Mühle gewesen. Geboren wurde Heinrich August Thiemann am 06. April 1828. Wie lange er die Arbeit als Müller nachging weis man nicht, fakt ist, Heinrich August Tiemann ging am 15. April 1878 weg aus Libehna. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wechselte der Müller in Libehna.

Nach August Tiemann soll eine Familie Rösler Eigentümer der Mühle gewesen sein. Rösler's sollen Mehl sogar bis nach Magdeburg gefahren haben, einen Beweis dafür ist bis jetzt nicht bekannt. Nach nicht belegbaren Aussagen des Museum's Köthen soll Frau Rösler 101 Jahre alt geworden sein.

Mühle um 1920 - Müller Louis Berger

Müller Louis Berger (ca. 1920)

Im Jahre 1881 wurde die Mühle von einem Müller aus Meilendorf erworben. Sein Name war Louis Berger. Wegen seiner etwas "knuckerigen" Art wurde er von den Bewohnern Libehnas "Berger, Lude" genannt. Immer wenn der Wind anfing nachzulassen warf er schimpfend den Handfeger in den Flügel. Auch das Nachdrehen der Mühle in den Wind war Grund genug, um lauthals vor sich her zu schimpfen. Unter der Führung Berger's wurde wenig an der Technik der Mühle verbessert. Lediglich die Umrüstung der zwei Mühlenflügel auf Jalousietechnik in den 20'er Jahren und der Einbau einer Getreidequetsche in den 30'er Jahren waren bekannt. Im Jahre 1941 hing Louis Berger seine Tätigkeit als Müller nach einem schweren Sturz an den Nagel. Immerhin war er zu dieser Zeit bereit 84 Jahre alt. In den Kriegsjahren und den ersten Nachkriegsjahren stand die Mühle von Libehna still. Bis 1944 gehörte die Mühle Louis Berger. In diesem Jahr wurde die Mühle und das Wohnhaus von Louis Berger auf seine Tochter, Witwe Helene Speck, überschrieben. 1947 starb Louis Berger.

Aufgrund der Kriegsschäden der großen Industriemühlen, und den ständigen Stromsperren in der Nachkriegszeit, die den Motormühlen sehr oft den gar aus machten, erlebten die Windmüller mit ihren Mühlen auf dem Lande einen wahren Aufschwung, obwohl technisch gesehen die Mühlen vollkommen überholt waren.

Im Frühjahr 1948 übernahm ein Müller aus Kochstedt die Mühle, der aber, nicht wie erwartet seiner Tätigkeit nachzugehen, anfing, Stück für Stück die Maschinenteile der Mühle zu demontieren und zu verkaufen. Dies fiel aber sehr schnell auf und dieser Pächter wurde sehr schnell davon gejagt.

Mühle um 1950 - Müller Ernst Friedemann

Im Sommer 1948 übernahm ein "echter" Müller die Pacht. Es handelt sich hierbei um Ernst Friedemann jr., geboren am 12.04.1907. Friedemann hatte in der väterlichen Mühle in Thalheim sein Handwerk gelernt, betrieb später in Wolfen eine Bockwindmühle. Die Libehna'er Mühle befand sich zum Zeitpunkt der Übernahme in einem sehr heruntergewirtschafteten Zustand. Verschont von den kriminellen Machenschaften des Vorgängers blieben:

1 Mahlgang (Durchmesser 130 cm)
1 Schrotgang (Durchmesser 115 cm)>
1 Wurfsichter
1 Sechskant-Reinigungszylinder unter dem Schrotgang
1 Mehlmischkiste
1 Getreidequetsche (Walzenlänge 30 cm)

Ernst Friedemann ging, nachdem er die Mühle übernahm, sofort daran, die Mühle den Erfordernissen nach instandzusetzen und zu erweitern. Zuerst baute er eine Getreidereinigung ein. Im Jahre 1954 wurde der Katzenstein, das ist der Lagerstein, auf dem sich die Rutenwelle dreht, ausgetauscht. Nur ein Jahr später wurde eine grundlegende Sanierung vorgenommen. Erneuert wurden zwei Flügel komplett mit Jalousiezeug. Zwei gebrauchte Ruten wurden von der Saalmann'schen Mühle Hinsdorf nach Libehna umgesetzt. Die Jalousieklappen der Neubau-Flügel stammten von der Mühle Naumann - Merzin, die kurz vorher auf Motorantrieb umgerüstet wurde. Weiterhin wurde der Maschinenpark letztmalig erweitert und erlangte dadurch einen zeitgemässen technischen Stand:

1 Walzenstuhl 60x30cm
2 Wurfsichter
1 Mahlgang (Durchmesser 130 cm)
1 Schrotgang (Durchmesser 115 cm)
2 Elevatoren (Aufzüge)
1 stehende Mischmaschine
1 Flachsieb
1 Schälmaschine
1 Getreidequetsche (Walzenlänge 30 cm)

Zur Mehlherstellung wurde weiter dann nur noch der Walzenstuhl genutzt. Der Mahlgang wurde nur zu speziellen Zwecken genutzt. Mit diesem technischen Stand hat Ernst Friedemann bis zum Ablauf der Pacht am 01. Mai 1962 gearbeitet. Drei Gründe gab es, weshalb zu dieser Zeit der Betrieb der Mühle von Libehna eingestellt wurde. Zum ersten war das Arbeiten mit der Windmühle nur unregelmässig möglich, da oft sogar manche Sommer der Wind ausblieb. Zweitens brachte die Gründung der LPG'n keine Kundschaft mehr. Mehl für den eigenen Bedarf und zum tauschen wurde jetzt nicht mehr gebraucht. Drittens war die Gesundheit von Ernst Friedemann sehr stark angeschlagen. Er litt an starken Atembeschwerden, der so genannten Müllerkrankheit. Nach Ablauf der Pacht wurde die von Friedemann eingebaute Technik an die Mühlenbaufirma Kühl/Leipzig verkauft. Ernst Friedemann lebte, nachdem er die Mühle 1948 übernahm, weiter in Thalheim, kam zunächst mit dem Fahrrad, später mit dem Moped (SR2) nach Libehna. Wenn der Wind günstig stand, wurde Tag und Nacht gemahlen, oft sogar auch am Wochenende. In den Sommermonaten schlief Friedemann oft in der Mühle, im Winter über blieb er im Gasthaus Repau, welches seinem Cousin gehörte. An einem guten Arbeitstag hat Ernst Friedemann ca. eine Tonne Mehl gemahlen und noch zusätzlich noch 20 bis 30 Zentner Futtergetreide geschrotet. Vermahlen wurde hauptsächlich Weizen. Nachdem Ernst Friedemann seine Tätigkeit als Müller in Libehna beendete, kehrte er in seine Heimat Thalheim zurück, wo er am 31.07.1986 starb. Der Mensch Ernst Friedemann ist den alteingesessenen Einwohnern Libehna's heute noch bekannt, er war sehr angesehen.

Das Ende der Pacht 1962 bedeutete für die Mühle nicht das Ende. Der Sohn der jetzigen Besitzerin Frau Köhler, Hansgeorg Speck, Enkel der Helene Speck, übernahm die Tätigkeit des Windmüllers in seiner Freizeit. Er hatte das Mühlenhandwerk zwar nicht offiziell gelernt, doch das praktische Wissen erlernte er bei Ernst Friedemann. Für die Kleintierhalter Libehna's schrotete er mit der noch verbliebenen Technik Futtergetreide. Hansgeorg Speck konnte mit seinen durchgeführten Notreparaturen dem einsetzenden Verfall der Mühle nicht aufhalten. Das entgültige Ende für die Windmühle von Libehna kam am 07.11.1972. Damals wütete über die Region Libehna's ein starker Orkan, der schwere Schäden am Flügelwerk verursachte. Durch diesen Schaden war eine Nutzung der Mühle nicht mehr möglich und deshalb wurden ab dann keinerlei Reparatuen mehr durchgeführt. Ab diesem Tage verfiel die Mühle zusehens immer schneller. Die Besitzerin, Frau Köhler, wollte die Mühle abgeben, da sie keinen Nutzen mehr brachte. Die Gemeinde Libehna musste lange dem Zerfall der Mühle, einem Zeugnis dörflichen Lebens, mit ansehen. Am 20.05.1979 schliesslich kaufte die Gemeinde die schon stark zerfallene Mühle von Frau Köhler für 2000,- Mark ab.

sehr zerstörte Mühle vor 1984
Zustand vor der Restauration

Mit dem Kauf der Mühle war ein Ende des Zerfall noch lange nicht in Aussicht. Die Gemeinde versuchte Gelder für eine dringend nötige Restauration aufzutreiben. Viele Sitzungen und Aussprachen waren nötig, damit 1984 endlich mit der erwarteten Restauration begonnen werden konnte. Die damalige PGH-Hochbau, deren Vorsitzender Herr Jurisch, war massgebend an der Instandsetzung beteiligt. Ein grosses Lob vor allem an die Zimmerleute, Kurt Jänsch, Erhart Stockmann, Walter Elze, Jan und Detlef Hansen, die mit ihrem Fingerspitzengefühl diese Restauration ermöglichten. Somit war das technische Denkmal, die Bockwindmühle zu Libehna gerettet. Am 04.10.1985 war es endlich soweit. Die Gemeinde übergab die restaurierte Mühle der Jugend als Jugendobjekt in persönliche Pflege, damit dieses schöne technische Denkmal weiter ausgestaltet wird und auf langer Sicht erhalten bleibt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bockmühle sein äusseres Aussehen wieder und war zum Teil auch wieder gebrauchsfähig. Die Kosten der Wiederherstellung beliefen sich bei ca. 90.000,- Mark. Da die Einwohner Libehna's so stolz auf ihre instandgesetzte Mühle waren, kamen sie auf die Idee alljährlich ein Fest zu Ehren der Mühle auszurichten. Aus dieser Idee wurde das immer wiederkehrende Sommerfest am letzten Wochenende des Julie's.

Ab der Wiederherstellung verbesserte sich der Zustand der Mühle. Dieses technische Bauwerk ist heute in einem TOP-Zustand und man kann heute wie damals Getreide zu Mehl verarbeiten. Zu Verdanken ist dies Stefan Lander aus Halle. Er hat seit 1991 in seiner Freizeit um die technische

 

Wiederherstellung der Inneneinrichtung gekümmert. Manchmal hat er, wenn es seine Zeit erlaubte, die Mühle wieder

in den Wind gedreht. Aus diesem Grunde wurde Stefan Lander anlässlich des Mühlenfestes 1997 zum Ehrenmitglied des Bürgerverein's "Zur alten Mühle Libehna" und zum "Ehrenmüller".

Heutzutage steht dieses erstaunliche Kulturdenkmal Schulklassen, Vereinen und interessierten Bürgern zur Besichtigung und zum Kennenlernen der Mühlentechnik offen. Jedes Jahr am Pfignstmontag ist Deutscher Mühlentag. An diesem Ehrentag steht auch in Libehna die Tür der Mühle weit offen und läd viele Menschen zur Besichtigung ein. Ein Mitglied des Mühlenverein's führt die interessierten Bürger gerne durch die Mühle.

Quelle: Dorf-Chronik von Libehna